(von Anton Lindenmair, Augsburg)
vom 21. - 29. Oktober fand in Lübeck die 87. Einzelmeisterschaft des Deutschen Schachbunds statt. Der DBSB war diesmal durch Frank Schellmann aus Halle vertreten. Am Turnier nahmen in diesem Jahr nur 26 Spieler teil, das ist weit unter der für dieses Turnier vordefinierten Zahl. Frank war an Nummer 26 gesetzt. Nach 9 Runden standen 5 Remispartien und 4 Niederlagen auf seinem Konto. Mit 2,5 Punkten konnte er sich damit gegenüber der Setzliste um einen Platz verbessern. Auf den Internetseiten des NDR war über Frank folgendes zu lesen: Sehbehinderter tritt bei Schach-Meisterschaft an (Quelle: ndr.de - von Thorsten Philipps) 70 Schachfans Und so sitzt Schellmann seinem Gegner auch nicht direkt - sondern schräg gegenüber. Jeder der beiden spielt die Partie auf einem eigenen Brett. 70 Schachfans stehen um die 13 Tische im Hotelsaal des Lübecker Holiday Inn, wo die DM ausgetragen wird, und starren auf die Spielbretter. Schellmann sitzt mit seinem Gegner in einer Ecke etwas abseits. Und das aus gutem Grund: "Bei mir wird ja ausnahmsweise am Tisch geflüstert, damit ich die Züge mitbekomme, wäre mein Tisch mitten im Saal, würde ich die anderen Spieler unnötig stören", sagt der studierte Informatiker. Läufer bedroht, Dame geschlagen "Emil 5 schlägt Dora 4", flüstert Schellmanns Gegner und tippt auf die Stoppuhr. Schellmanns Bauer ist geschlagen, sein Läufer wird bedroht. Schellmann beugt den Kopf über das Spielfeld - und tastet jede Figur ab. Dann lehnt er sich zurück und fasst sich mit den Händen an den Kopf: "Puhhh", chnaubt er und verharrt so zweieinhalb Minuten, bevor er antwortet: "Dame, Dora 1 schlägt Dora 4". Seine Dame schlägt den Bauern. "Fühle mich integriert und akzeptiert" Sein Duellgegner, Jens Hirneise, Landesmeister aus Sachsen, verlangt ihm volle Konzentration ab. "Ich mache keinen Unterschied, ob ich gegen einen sehenden oder blinden Spieler antrete", sagt der 24-Jährige. Für Schellmann geradezu eine beruhigende Aussage, denn er will bis auf seine Spezialfiguren und das Brett keine Extrawurst. "Ich fühle mich hier beim Schachspielen so integriert und akzeptiert wie sonst nirgendwo", sagt er. Beste Spieler Deutschlands Die meisten seiner 2.000 Wettkampfpartien hat er gegen sehende Gegner gespielt. Zum dritten Mal nimmt er als bester Blinder an der Deutschen Meisterschaft teil. "Schach ist mein Leben, und es erfüllt mich natürlich mit Glück, dass ich mich hier mit den besten Spielern Deutschlands messen darf", lächelt der Hallenser. Immer an seiner Seite auf den Deutschen Meisterschaften ist der Nationaltrainer des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Wilfried Bode, der während der Partie Frank Schellmann Orangensaft und Kuchen serviert. "Frank hat ein außergewöhnliches Gedächtnis: Dass er hier so gut mithalten kann, zeigt, dass gute Leistungen auch mit einer Behinderung möglich sind", sagt er. Ende mit Handschlag Das beweist Schellmann am Ende auch in der Partie gegen Hirneise: Remis nach sechs Stunden Räuberschach. Beide nehmen sich gegenseitig so viele Figuren gleichzeitig ab, dass keinem ein entscheidender Vorteil gelingt. Zum Schluss sind nur noch Bauern und die Könige im Spiel, ein Durchkommen im Bauern-Endspiel nicht mehr möglich. Das Match endet, wie es begonnen hat, mit einem Handschlag zwischen den beiden. "Ich habe ihn bestimmt nicht unterschätzt, das war echt anstrengend", erkennt Hirneise die besondere Gedächtnisleistung von Frank Schellmann an. Der nickt und lächelt. "Das war knapp, mein Akku ist nun erst mal leer", sagt Schellmann.