Norderstedt
Schachduell mit der Großmeisterin
Großmeisterin Marta Michna vom Schachklub Norderstedt trifft beim Hamburger Blinden- und Sehbehindertenverein auf 13 Gegner.
Quelle: Hamburger Abendblatt
Von Anne Pamperin
Großmeisterin Marta Michna gewann elf der 13 Partien und trennte sich zweimal mit einem Remis. Die 35 Jahre alte gebürtige Polin bestreitet ihre Punktspiele für Bundesliga-Aufsteiger Schachklub Norderstedt
Ein Schach-Märchen wird wahr
Norderstedt. Wenn Nichtbehinderte und Menschen mit einem Handicap aufeinandertreffen, stehen oft Zurückhaltung, Misstrauen oder auch die Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, im Vordergrund. Den Kontakt zu vermeiden, erscheint vielen oft als probates Mittel, um peinlichen Situationen aus dem Weg zu gehen.
Volkmar Lücke, Vorsitzender des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenschachbundes, weiß dies nur zu gut. "Es gibt auch bei uns einige, die am liebsten ausschließlich mit ihresgleichen zusammen sein wollen. Das halte ich aber nicht für erstrebenswert. Im Gegenteil, ich möchte, dass wir uns in die Welt der Sehenden integrieren", sagt der 70-Jährige.
Ein schönes Beispiel dafür, wie gemeinsamer Sport in lockerer Atmosphäre funktioniert, war das Simultan-Schachturnier beim Hamburger Blinden- und Sehbehindertenverein im Louis-Braille-Center. Sieben Sehbehinderte und sechs Normalsehende aus benachbarten Betriebssportgruppen forderten keine Geringere als die Nummer zwei der nationalen Damen-Rangliste, Marta Michna, zum Duell heraus.
Die 35-Jährige ist erst vor einigen Tagen von der Schacholympiade in Istanbul zurückgekehrt. Dort belegte sie mit der deutschen Damen-Nationalmannschaft den elften Platz. Die gebürtige Polin hatte sogar die Chance, an ihrem Brett im Kampf um den Sonderpreis die Silbermedaille zu gewinnen, unterlag aber in der letzten Runde der Ukrainerin Anna Ushenina.
Marta Michna war unter anderem schon U-18-Europameisterin, zweifache Polnische Meisterin und wurde 2005 Mannschafts-Europachampion mit Polen. Sie ist mit dem Norderstedter Schachspieler Christian Michna verheiratet und startet seit 2006 Deutschland.
Der Gastauftritt der vierfachen Mutter beim Hamburger Blinden- und Sehbehindertenverein kam auf Initiative von Volkmar Lücke zustande, der gleichzeitig Vorsitzender der Hamburger Blindenschachgruppe ist. Lücke, der nur noch eine minimale Sehfähigkeit besitzt, hatte 1975 den Schachklub Norderstedt mitgegründet und war dort von 2000 bis 2004 Vorsitzender. Aufgrund der zunehmenden Erblindung, bedingt durch eine hochgradige Kurzsichtigkeit, gab Lücke den Vorsitz ab, blieb dem Klub aber stets verbunden. "Ich wollte mit diesem Wettstreit vor allem die großartigen Leistungen von Marta Michna würdigen, die ja gerade erst mit dem Männerteam des SKN den Aufstieg in Bundesliga geschafft hat."
Die Sehbehinderten nutzten beim Simultanturnier ein kleines Schachbrett, bei dem die Hälfte der Figuren mit kleinen Aufsätzen gekennzeichnet ist. So können die Farbe und die Position auf dem Brett ertastet werden. Marta Michna spielte die Partien gleichzeitig auf einem größeren Brett. Die zusätzliche Arbeit - jeder Zug musste doppelt ausgeführt werden - hinderte die Großmeisterin nicht daran, die meisten ihrer Kontrahenten im Eiltempo zu besiegen.
Nach knapp drei Stunden war das ungewöhnliche Kräftemessen vorbei. Die beiden Norderstedter André Nixdorf und auch Volkmar Lücke erreichten immerhin ein Unentschieden. "Als am Ende viele Partien schon beendet waren, hat Marta dann auch gegen mich immer sehr schnell gezogen. Das Tempo war ein wenig zu hoch für mich, sie hat mir das Remis angeboten", so Lücke, der seinen Teilerfolg nicht überbewerten wollte: "Es ging ja nicht um irgendwelche Leistungskennzahlen oder Titel."
Der Harksheider freute sich sehr über die gelungene Veranstaltung und plant schon das nächste Aufeinandertreffen zwischen Sehenden und Blinden. Volkmar Lücke: "Ich würde gerne mit meiner Blindenschachgruppe in Norderstedt gegen die Zweitliga-Frauenmannschaft von TuRa Harksheide antreten und habe den Vereinsverantwortlichen diesen Vorschlag schon unterbreitet.