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Offenburger Tageblatt berichtet über Südwestmeisterschaft


König ertasten und matt setzen
(Quelle: Offenburger Tageblatt vom 31.10.2014 - Autor: Katharina Jansen)

In Mühlenbach spielen 20 blinde und sehbehinderte Schachspieler um die Südwestmeisterschaften
31. Oktober 2014
"Schachmatt" heißt es die ganze Woche in Mühlenbach. 20 Blinde und Sehbehinderte spielen im Hotel "Roter Bühl" die Südwestmeisterschaft aus. Das Offenburger Tageblatt hat den Spielern über die Schulter geschaut.

Mühlenbach. Hektisch gleiten die Finger von Martin Recker über das kleine schwarz-weiße Spielbrett, das vor ihm auf einem Holztisch liegt. Mit seinen Händen versucht der Blinde die unterschiedlichen Figuren auf dem Schachbrett zu ertasten. Im Hintergrund surrt eine Uhr. Mit jedem weiteren Ticken wird Recker unruhiger. Obwohl er nicht sehen kann, weiß er ganz genau, dass er nur noch wenige Minuten für seinen Spielzug hat. Der Stuttgarter spielt gerade um die Führung bei den Südwestmeisterschaften des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Schachbundes. Diese finden im Hotel "Roter Bühl" in Mühlenbach statt. Insgesamt nehmen 20 Spieler aus Süddeutschland, Frankreich, Belgien und der Schweiz teil.
Mittlerweile zeigt die kleinen Holzuhr rechts neben Recker nur noch wenige Sekunden an. Rasch nimmt er die schwarze Dame aus dem Steckloch seines Bretts. "Die schwarzen Figuren haben zur Unterscheidung an der Spitze ein kleines Metallkügelchen", erklärt Recker. Um die Dame auf einen Feld zu platzieren, ist erneut sein Tastsinn gefragt. Auf den spezial Schachbrettern liegen die dunklen Felder höher als die hellen. Die einzelnen Felder erhalten zudem noch ein Steckloch, in dem Springer und Co fixiert werden. Gesprochen wird im Gastraum kaum. Lediglich Kommentare, wie "weiße Dame auf Eva fünf", unterbrechen die Stille. Mit diesen Aussagewerden die einzelnen Züge beschrieben, sodass der Gegner diese auf seinem Brett nachstecken kann.
Jeder Sportler besitzt ein eigenes Schachbrett. Dieses ist je nach den Sehvermögen der Spieler unterschiedlich groß. "Bei uns spielen nicht nur Blinde, sondern auch Menschen mit einer rudimentären Sehkraft", erklärt Schachspieler Thomas Mann. Ob diese eine Vorteil gegenüber den Blinden haben, wird immer wieder diskutiert. "Im Schnitt schneiden die Aktiven mit geringem Sehvermögen nicht besser ab", erklärt Mann.

Uhren ohne Glas
Die gängige Schach-Regel "gerührt-geführt" gilt beim Blindenschach nicht. "Wir spielen getreu dem Motto >gezogen-geführt<", sagt Recker. Das heißt, dass eine Figur aus dem Steckloch gezogen und woanders wieder eingesteckt werden darf. Eine Korrektur ist dann nicht mehr erlaubt. Zurück zu Martin Recker: Nach seinem Zug drückt er mit einer reflexartigen Bewegung den Stopp-Knopf der Uhr. Mit den Fingern ertastet er den Zeiger und die Ziffern der Schachuhr ohne Glas, um seine restliche Spielzeit zu erfahren.
"Jeder Aktive darf zweieinhalb Stunden spielen. Nach zwei Stunden müssen 40 Züge gespielt sein", sagt Recker. Nun muss der Spielzug dokumentiert werden. Wie die Züge notiert werden, bleibt jedem selbst überlassen. Einige nutzen ganz klassisch Stift-und Papier, andere schreiben auf einer Blindenschreibmaschine oder flüstern in ein Diktiergerät. Die Dokumentation der Züge ist wichtig. Indem der Schiedsrichter die beiden Aufzeichnungen abgleicht, kann er die Geschehnisse am Brett bei Missverständnissen überprüfen.
Bei den Aktiven handelt es sich um eine eingeschworene Gruppe. Neue Sportler kommen selten dazu. Schach ist bei den Jüngeren wenig populär. "Früher gab es in jeder Blindenschule eine Schach-AG. Heute besuchen die Jugendlichen meist integrative Schulen mit anderen Freizeitmöglichkeiten", sagt Recker.

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