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Schach im ewigen Eis bei Minus 80 Grad

Impressionen von einer Fernschachpartie mit dem Südpol

Sechs Monate Dunklheit, Temperaturen von Minus 80 Grad Celsius, Eis, Schneestürme und nur einmal im Jahr ein Sonnenaufgang - Altag für die Mitarbeiter der Amundsen-Scott-Forschungsstation auf dem Südpol.

Durch eine Initiative von Kersten Linke, der beim Konrad-Adenauer-Gymnasium Langenfeld eine Schach-AG leitet, bekam ich Kontakt zu einem deutschen Physiker, der in der Amundsen-Scott-Forschungsstation auf dem Südpol tätig ist. Unser gemeinsames Hobby Schach war Anlass für eine Schachpartie, die per e-Mail geführt wurde. Dabei konnte ich viele interessante und wissenswerte Eindrücke vom Leben in einer Forschungsstation gewinnen:

Vom Urknall und der kosmishen Hintergrundstrahlung
Ende August wird es langsam hell am Horizont und einige Wochen später geht am Südpol für 6 Monate die Sonne auf. Momentan ist dort Winter, das bedeutet 6 Monate lang Dunkelheit. Nur wenn die Winterstürme und Schneegestöber nachlassen, blinken tausend Sterne am Himmel. Dann steht Robert Schwarz, mit dem ich seit April Schach per e-Mail spiele, im Freien und freut sich über die tollen Fotos vom klaren Nachthimmel. Der deutsche Physiker befindet sich bereits zum 10. Mal am Südpol. Er untersucht die kosmische Hintergrundstrahlung, die beim Entstehen des Universums durch den Urknall entstanden ist. 13,8 Milliarden Jahre sind die aufgefangenen Signale alt, bevor sie die Erde erreichen. die Hintergrundstrahlung zeigt das Baby-Universum als es 380000 Jahre alt war. Physiker gehen von der Theorie aus, dass das Universum einst noch viel kleiner als ein Atomkern war, ohne Ausdehnung aber mit unendlicher Dichte aber endlicher Masse. Sehr kompliziert! Der Blick zurück in die Unendlichkeit von Raum und Zeit wird mit einem Mikrowellen-Teleskop vorgenommen. Es liegt rund einen Kilometer von der Station entfernt. Um sich in der Dunkelheit nicht zu verirren, sind alle 7 Meter Bambusstangen mit einer Fahne ins Eis geramt.

Leben wie auf einm anderen Planeten
Menschen und Maschinen sind bei Temperaturen von knackigen -80 bis frühlingshaften -30 Grad besonderen Bedingungen unterworfn. Leben gibt es außer Bakterien keines. Die Forschungsstation liegt auf gut 3.000 Meter über dem Meeresspiegel, steht auf einem 3 Kilometer dicken Eispanzer und ist von der Küste 1.400 km entfernt. Das klingt gigantisch. Auch in der Antarktis ist die Eisschmelze besorgniserregend fortgeschritten, allerdings noch nicht so extrem wie im Norden, schreibt mein Fernschachpartner. Strom wird durch kerosinbetriebene Generatoren erzeugt; Benzin würde einfrieren. Auch Raupen und Bagger werden mit Kerosin betankt. Der Witz: Neuerdings gibt es Kühlschränke statt (wie früher) beheizte Boxen! Die von den USA betriebene Station wird in den Sommermonaten durch Flugzeuge mit allem erdenklichen Material versorgt, was die Menschen am Südpol benötigen. Im Winterhalbjahr werden rund 1,2 Millionen Liter Kerosin verbraucht. Die Station ist sogar für kleinere medizinische Eingriffe eingerichtet.

Wie lebt es sich am Südpol?
In diesem Winterhalbjahr befinden sich knapp 50 Personen aus aller Herren Länder "an Bord", darunter 12 Wissenschaftler. Jeder in der Crew ist mal mit Küchendienst dran: Gespült wird von Hand, auch beim Kantine putzn und Tische wischen wird alle 3 Wochen abgewechselt. Für den sportlichen Ausgleich sorgt eine Turnhalle und ein kleines Fitnessstudio. Auch eine Sauna, Bücherei und 2 Fernsehräume sind vorhanden. Robert Schwarz informiert sich täglich über das Tagesgeschehen daheim in Oberbayern und liest Spiegel-online und das Garmisch-Partenkirchener Tageblatt. Auch wenn er mit der dauernden Dunkelheit gut zurecht kommt, freut Robert Schwarz sich schon jetzt, wieder Vögel hören zu können, Feld und Wald zu riechen, frisches Obst kaufen zu können und mal ausgiebig zu duschen: "Duschen ist auf 2 mal 2 minuten pro Woche beschränkt, denn das Eis zu schmelzen verbraucht sehr viel Energie". In so einer lebensfeindlichen Umgebung lernt man, sich über die kleinen Dinge des Lebens zu freuen. Die Station hat ein kleines aber sehr ergiebiges Gewächshaus, das die Bewohner mit Vitaminen versorgt. Wegen des fehlenden Sonnenscheins wird der Mangel an UV-Strahlung durch Vitamin-D-Präparate ausgeglichen.

Grillfete bei 60 Grad Minus?
Während in Skandinavien das Sommerwendfest stattfindet, wird in der Antarktis eine Midwinter-Party gefeiert! Traditionell wird ein Gruppenfoto gemacht und eine Einladung An alle auf der Antarktis befindlichen Stationen zum grossen Festessen geschickt. Alle laden sich gegenseitig ein. Jeder weiss, dass bei der Witterung und den Entfernungen niemand kommen wird, aber eine nette Geste ist es allemal. Grillen ist schwierig am Südpol. Zum Kohle anzünden ist ein Schweissbrenner nötig! Einige Male im Winterhalbjahr greift Robert Schwarz zu Schneebesen und Pfanne, wenn es mal Leckeres aus heimischen Gefilden geben soll. Dann stehen Dampfnudeln mit Vanillesauce, Spätzle mit Jäger und Zigeunerschnitzel, Szegediner Gulasch und Brezen auf dem Speisezettl. Das highlight im August sind Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.

Auch wenn Robert Schwarz auf seiner Website www.Antarktic-Adventures.de schreibt, "Antarctica - best place on Earth", wird er sich vermutlich freuen, im Herbst wieder daheim sein zu können. Bis dahin haben wir Zeit, die zweite Fernschachpartie zu spielen. Die erste endete zu meinen Gunsten. Ich freue mich auf einen regen Austausch von Gedanken und interessantem Wissen.

Ewald Heck, Troisdorf

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