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Das Turnier seines Lebens

(Quelle: Presseamt der Stadt Dresden)

Frank Schellmann ist fast blind und ist trotzdem gut im Rennen beim
ZMD-Schachfestival

Bis zum Sonntag dauert es noch, das ZMD-Schachfestival im Dresdner Ramada
Hotel: An langen Tischreihen sitzen sich bis dahin die Schachspieler
gegenüber, zwischen ihnen liegt das schwarz-weiße Brett mit den 64
quadratischen Feldern. Die Schachuhr tickt unerbittlich, Zuschauer wuseln
durch die Reihen und gucken den Spielern neugierig über die Schultern.
Eigentlich alles ganz normal - allerdings nur für sehende Menschen.

Frank Schellmann gehört nicht zu den sehenden Menschen, der 36-jährige
Wahl-Hallenser ist mit einer Sehkraft von zwei Prozent nahezu blind. Und
doch liegt er beim Turnier der Sehenden gut im Rennen, vor der siebten
Runde am Freitag weist sein Spielerkonto bereits vier ganze Punkte auf.
"Bisher habe ich gegen eher schwächere Gegner gespielt", stapelt Schellmann
tief, der immerhin eine Elo-Zahl von 2141 Punkten aufzuweisen hat und damit
im nach Arpad Elo benannten Wertungssystem der Schachspieler durchaus zu
den besseren Spielern gehört.

"Sechs Punkte aus neun Runden möchte ich schon holen, das ist mein Ziel in
diesem Jahr", sagt der Mann mit den kurzen dunklen Haaren. Aber wie spielt
ein Blinder Schach gegen lauter Sehende, und das sogar unter
Turnierbedingungen? Schellmann lächelt und zieht ein gebrauchtes
Schachbrett aus Holz aus der Tasche - ein so genanntes Steckschachspiel.
"Bei Turnieren wie diesen gilt das Zwei-Brett-System", erklärt er. Das
Steckschachspiel dürfe vom Sehbehinderten befühlt und abgetastet werden,
erläutert der erfahrene Turnierspieler weiter, das eigentliche Turnier aber
finde auf einem zweiten, einem normalen Brett statt.

Sonderregeln gibt es für ihn nur wenige beim ZMD-Open, und er will sie auch
gar nicht. "Mehr Bedenkzeit habe ich nicht, ich versuche so schnell wie
möglich zu ziehen", sagt Schellmann, dessen Schachuhr unverglast ist und
deren Zeitverlauf er im Wortsinne mit Händen greifen kann. Seine Züge
überlegt sich Schellmann an seinem Steckschachbrett, wo die schwarzen
Felder höher sind als die weißen und die schwarzen Steine eine kleine Nadel
an der Spitze besitzen. Auf seine Ansage hin führt der Spielgegner
Schellmanns Schachzüge auf dem offiziellen Turnierbrett aus, mit Hilfe
einer Lupe schreibt Schellmann sie dann selbst in großen Buchstaben nieder
- für gänzlich Blinde stünde alternativ eine Blindenschreibmaschine zur
Verfügung.

Seit sieben Jahren spielt Frank Schellmann regelmäßig bei Schachturnieren
mit, im vergangenen Jahr hat er bei der Blinden-Schachweltmeisterschaft in
Indien sogar den siebten Platz belegt. Doch auch bei Wettkämpfen der
Sehenden ist er häufig dabei, das Dresdner ZMD-Schachfestival liebt er zum
Beispiel wegen der Nähe zu seiner Heimatstadt Radeberg. "Außerdem kennt man
sich ja mittlerweile im Blindenschach, hier lerne ich neue Leute kennen",
sagt Schellmann mit einem Lächeln. Und mit leiserer Stimme fügt er hinzu:
"Auch wenn es unrealistisch ist. Meine große Hoffnung ist es, im nächsten
Jahr hier in Dresden bei der Schacholympiade dabei zu sein", sagt er. Als
Zuschauer? - "Nein, als Spieler!" Der Internationale Blindenschachverband
IBCA dürfe bei dem Großereignis mit rund 150 Nationalteams aus aller Welt
ein eigenes Team aufstellen, für das die besten Blinden-Schachspieler der
Welt ausgewählt würden. Das wäre für Frank Schellmann das Turnier seines
Lebens.

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